Massacre leaf

Das "Massacre leaf" (manchmal auch "Collier leaf" genannt) ist ein Manuskript, das angeblich aus dem 16. Jahrhundert stammt und eine erweiterte Fassung der [Szene 19] aus The Massacre at Paris enthält. Es ist kein Quarto-Blatt, sondern der untere Teil eines Folios (31,75×20,32 cm) und misst 18,1×20 cm. Das Papier befand sich bereits in diesem Zustand, als darauf geschrieben wurde. Vielleicht war es der untere Teil eines beschriebenen Folios, das aus Kostengründen abgerissen und weiter verwendet wurde.1 Die beschriebenen Vorder- und Rückseite enthält eine Version der Zeilen 1 bis 16 von [Szene 19]. Das Dokument und der Druck haben 4 Zeilen gemeinsam, das Manuskript ist allerdings um 13 Zeilen länger.

 

Massacre leaf verso. Folger MS J.b.8(v)

Entdeckung

1825 veröffentlichte John Payne Collier in seiner Ausgabe von The Jew of Malta eine fehlerhafte Transkription eines Manuskripts einer erweiterten Szene aus The Massacre at Paris, welches einem Mr. Rodd gehörte. 1831 druckte Collier in History of English Dramatic Poetry erneut eine Transkription ab, die sich von der ersten unterschied. Jetzt behauptete Collier, er würde das Manuskript besitzen. In der zweiten Ausgabe der History of English Dramatic Poetry von 1879 gab Collier an, er hätte es nicht mehr. Vor 1887 gelangte es in den Besitz von J. O. Halliwell-Phillipps. Von ihm wanderte es zu Marsden J. Perry und von ihm letztlich zu Henry Clay Folger.2 Seither ist es im Besitz der Folger Library.

Fälschung oder Original

Nachdem bekannt worden war, dass Collier zum Beweis seiner Theorien gerne Dokumente gefälscht hatte, wurde auch die Echtheit des "Massacre leaf" infrage gestellt. Tucker Brook war 1910 der erste Wissenschaftler, der an der Authentizität zweifelte. W. W. Greg folgte 1928 seiner Ansicht, während H. S. Bennet sich wiederum für die Echtheit aussprach.3 Nachdem es möglich gewesen war das Originaldokument zu untersuchen, kam Samuel Aaron Tannenbaum zu der Erkenntnis, dass es sich bei dem Dokument eindeutig um eine Fälschung handelt.4 Dem widersprach Joseph Quincy Adams in allen Punkten. Für ihn ist es der Entwurf einer Szene, der eindeutig aus dem 16. Jahrhundert stammt.5 Stilistisch betrachtet, könnte sogar Marlowe der Urheber dieser Zeilen gewesen sein. Während also noch Diskussionen über die Echtheit des Manuskripts im Gang waren, wurde die Theorie aufgestellt, dass es nicht nur authentisch, sondern darüber hinaus von Marlowe selbst geschrieben worden sei.6 Selbst Collier hatte dergleichen nie behauptet. Obwohl sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt hat, dass das Dokument an sich keine Fälschung ist, wird es nicht als eine Handschrift von Christopher Marlowe angesehen.7


Maguire, Laurie E. 1996. Shakespearean Suspect Texts: The "Bad" Quartos and Their Contexts. Cambridge: Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511553134.
Tannenbaum, Samuel Aaron. 1933. Shakespearean Scraps and Other Elizabethan Fragments. New York: Columbia University Press.

  1. Adams (1934)↩︎
  2. Adams (1934)↩︎
  3. Dam (1934)↩︎
  4. Tannenbaum (1933)↩︎
  5. Adams (1934)↩︎
  6. Wraight and Stern (1993); Marlowe (1973)↩︎
  7. Alton (26.04.1974); Maguire (1996)↩︎

Aktualisiert am 18.01.2023

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