Dass in der Allgemeinheit gerade in Verbindung mit Edward II Marlowe immer noch als Vorkämpfer für die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe gilt, ist unter anderem dem Regisseur Derek Jarman zu verdanken, obwohl er das gar nicht beabsichtigt hatte. Bereits 1986 hatte er mit Caravaggio einen viel beachteten Film gedreht, der nichts mit Leben und Werk des Malers zu tun hat. Edward II (1991) ist in dieser Hinsicht ein würdiger Nachfolger. Es geschieht nicht oft, dass ein Regisseur seine Motivation so klar darlegt, wie es Jarman hinsichtlich dieses Werks tat.
"How to make a film of a gay love affair and get it commissioned. Find a dusty old play and violate it.”1
Er wollte einen Streifen über das Schwulsein in Großbritannien Anfang der 90er Jahre machen, er wollte nicht Marlowes Drama verfilmen.2 Am 24. Mai 1988 trat in England ein Gesetz über die Finanzierung örtlicher Behörden in Kraft, das über eine Klausel verfügte, die als Section 28 bekannt wurde. Darin heißt es, dass öffentliche Behörden Homosexualität weder absichtlich fördern, noch die Akzeptanz dieser Lebensform unterrichten dürfen. (Dieses Gesetz wurde erst 2003 wieder abgeschafft.) Das war die erste staatliche Bedrohung für das Ausleben der eigenen Sexualität, die britische Bürger seit der Legalisierung der Homosexualität 1967, erfahren mussten. In diesem Klima entstand der Film. Jarmans Ziel war es nicht zu zeigen, dass Marlowe schwul war. Vielmehr sollte der Film einen Beweis für die epochenübergreifende Unterdrückung von Homosexuellen in der Menschheitsgeschichte darstellen. Vom mittelalterlichen Edward II., über den neuzeitlichen Marlowe zum gegenwärtigen Jarman wurde ein Bogen gespannt, unter dem Geschichte, Drama und Persönliches zu einem Manifest der Grausamkeiten, die die Gesellschaft Menschen mit anderen sexuellen Vorlieben seit Jahrhunderten antut, vermischt wurden. Mit dem Theaterstück selbst, hatte das kaum noch etwas zu tun. Jarman stellte einen Machtkampf zwischen Gruppierungen, die nicht durch machtpolitisches Interesse, sondern sexuelle Vorlieben entstanden sind, dar. Der Feind ist eindeutig die Thatcher-Regierung, auf deren Politik in etlichen Zitaten hingewiesen wird.3
Jarman war ernsthaft der Überzeugung, Marlowe müsse sich der Änderungen wegen, die sein Stück in dem Film erfahren hatte, glücklich schätzen, denn sie hätten das Drama gerettet.4 Vielleicht mochte Jarman aber Marlowes und Caravaggios Werke einfach nicht und drehte deshalb schlechte Filme darüber.