Thomas Watson (* ~ 1557; † 1592) stammt aus einer wohlhabenden Familie und besuchte die Universität Oxford, machte jedoch keinen Abschluss.1 Um 1572 ging er auf den Kontinent, wo er sich hauptsächlich in Italien und Frankreich aufhielt. Kurzzeitig besuchte er das Katholische Seminar, das damals noch seinen Sitz in Douai hatte. Vermutlich war er dort gemeinsam mit Thomas Walsingham für Francis Walsingham tätig, als dieser Botschafter in Paris war. Nach über 7 Jahren kehrte Watson zurück, um in London Recht zu studieren und/oder zu praktizieren – darüber ist man sich nicht ganz einig.2 Er dürfte damals bereits als Dichter bekannt gewesen sein.
Das früheste erhaltene Werk Watsons ist eine lateinische Übersetzung von Sophokles Antigone einschließlich einiger lateinischer Gedichte von 1581. 1584 veröffentlichte er Hekatompathia or Passionate Centurie of Love, eine Sammlung von Gedichten im französischen und italienischen Stil sowie einige Übersetzungen. Die Widmung ist für Edward de Vere, Earl von Oxford, der das Manuskript gekannt und Watson zur Veröffentlichung ermutigt hatte. Beschäftigt war Watson jedoch im Haushalt von William Cornwallis. In dem lateinischen Epos Amyntas (1585) schildert er die elftägige Trauer des Schäfers Amyntas über den Tod seiner Geliebten Phyllis. Nach dem Tod von Francis Walsingham schrieb Watson die Elegie Melibœus, die 1590 in Latein und Englisch erschien. Watson galt nicht nur als bester lateinischer Dichter seiner Zeit, er wurde gleichfalls für seine Tragödien gerühmt, doch keines seiner Dramen ist erhalten.
Im Herbst 1589 wohnten Watson und Marlowe in Norton Folgate. Am 28. September des Jahres kam Watson Marlowe zu Hilfe, als dieser in der Hog Lane (heutige Worship Street) eine Auseinandersetzung mit William Bradley hatte. Im Zuge des Handgemenges tötete Watson Bradley in Notwehr. Während Marlowe auf Kaution freikam, musste Watson bis zum Prozess und trotz des Freispruchs noch eine Zeit darüber hinaus im Newgate Gefängnis bleiben.3 Watson verarbeitete den Vorfall in der Hog Lane später literarisch in Amintae Gaudia, eigentlich ein Prequel zu Amyntas. Die Veröffentlichung dieses Epos sowie die von The Tears of Fancie, or Love Disdained erfolgte posthum, denn Thomas Watson wurde am 6. Oktober 1592 in St Bartholomew-the-Less beerdigt. Der erste Druck der Amintae Gaudia enthält eine Widmung an Mary Herbert, die angeblich von Marlowe stammt.
Dana Sutton sieht in der Schilderung, wie Amyntas in den Streit zweier Rivalen um die Gunst von Pyllis eingreift, eine literarische Verarbeitung des Zwischenfalls in der Hog Lane.4
"Faustulus et Corydon, ambo foelicibus orti
Principiis, ambo fortes, virtutibus ambo
Tincti diversis, iisdem sed amoribus ambo
Igniti, rixas audent litesque ciere,
Phyllida dum laudant, dum te, formosula Phylli,
Iste manu gemmam tibi praetulit, ille catellam
Arte laboratam mira. Tu munus utrumque red
Anxia dum renuis, ne protinus aemula virtus
Crescat in invidiam, verbis et cerbere certant
Rivales; clamant socios; amor arma ministrat.
Pallida surgebas, memini, pallere decebat.
Suadebas pacem precibus lachrymis, sed illi
Immoti precibus lachrymisque in proelia pergunt,
Barbara progenies. Mea tum praecordia movit
Irarum subitus, vel amoris conscius ardor.
Insilui turbis, et Martem Marte lacessens,
Mox initum fregi bellum monitis minisque."5
Dank Watson erhielt die englische Literatur erstmals seit Wyatt und Howard wieder verstärkten Kontakt mit Francesco Petraca. Das könnte sich auch spürbar auf Marlowe (Tamburlaine) ausgewirkt haben.