Richard Baines

Richard Baines (* ~ 1544; † ?) hat wie kein anderer Christopher Marlowes Bild für die Nachwelt geprägt. Schon zu Lebzeiten sorgte Baines für Aufregung, die sich auch nach seinem Tod nicht legte. Seine Biografie lässt sich nur fragmentarisch rekonstruieren und bis heute steht nicht eindeutig fest, wer Richard Baines wirklich war.

Wahrscheinlich wurde er um 1554 geboren. Trotz jahrelanger Bemühungen konnte noch niemand weder das genaue Datum noch den Ort seiner Geburt feststellen. Auch ist nichts Näheres über seine Familie bekannt. Im Herbst 1568 inskribierte er vermutlich als Pensionär ins Christ’s College von Cambridge und machte 1572/73 seinen BA. Dann wechselte er auf das Caius, das er 1576 mit dem MA abschloss. 1578 ging er ins Katholische Seminar nach Reims, wo er im Mai 1581 Diakon wurde und im September die Priesterweihe empfing. Irgendwann vor Ende Mai 1582 erfuhren die Verantwortlichen im Reims, dass mit Baines etwas nicht stimmte. Er wurde von einem uns heute unbekannten Mitstudenten denunziert und legte ein umfassendes Geständnis ab. Baines gab zu im Katholizismus etliche Widersprüche entdeckt zu haben, die ihn überzeugt hätten, dass es sich bei vielen Dogmen und Riten nur um lächerliche Hirngespinste handelte. Außerdem sei ihm eine Menge Geld versprochen worden, sobald er in England Informationen über das Seminar preisgegeben würde. Zu diesem Zweck plante er mit einem Gefährten Reims zu verlassen und notfalls das Essen oder die Gemeindequelle zu vergiften. Auch machte er eine Andeutung über Mary Stuart, die nahelegt, Baines eigentliche Aufgabe wäre es gewesen, herauszufinden inwieweit die Seminarleitung in eine eventuelle französische Invasion in Schottland verwickelt war. (Francis Walsingham hatte 1581 von solch einem Plan erfahren, in den auch William Allen, der Leiter des Seminars involviert sein sollte. Es hätte also Sinn gehabt, in Reims einen Spion zu installieren.) Bemerkenswert ist die Reaktion seitens des Seminars. Baines wurde zunächst im Stadtgefängnis und dann im Seminargebäude inhaftiert. Sein Geständnis wurde abgedruckt und erschien in England in einer katholischen Propagandaschrift, bevor er Ende Frühjahr 1583 entlassen wurde.1 Ein Mann, der so unorthodoxe Ansichten über Kirche und Religion vertrat, der den Katholizismus für schnöden Mammon verraten wollte, der Andeutungen über die politischen Intrigen der schottischen Königin machte und zu guter Letzt sogar das gesamte Seminar vergiften wollte, durfte, nachdem er ein Geständnis unterschrieben hatte, einfach nach Hause gehen. Das ist wohl eines der außergewöhnlichsten Beispiele für christliche Vergebung.

Falls Baines ursprünglich als Spion von englischer Seite ausgeschickt worden war, waren seine Auftraggeber wenig begeistert, denn sie hatten für ihn zunächst keine weitere Verwendung.2 Er tauchte erst 1592 in Vlissingen wieder auf, wo er auf Christopher Marlowe traf. Beide beschuldigen einander gegenüber dem Gouverneur Robert Sidney der Falschmünzerei. Sidney schickte Baines und Marlowe zu Lord Burghley. Leider ist nicht bekannt, was danach passierte.3

Ende Mai oder Anfang Juni 1593 erhielt der Privy Council eine von Richard Baines unterschriebene Aussage, die sogenannte Baines Note. Darin unterstellt er Christopher Marlowe zahlreiche blasphemische, atheistische und subversive Ansichten, die dieser ihm gegenüber und anderen wiederholt geäußert haben soll.4

Im Dezember 1593 wurde ein Richard Baines in Tyburn gehängt.5 Ein anderer Richard Baines wurde Rektor in Waltham, Lincolnshire. Eine Position, die er noch 1607 innehatte.6


  1. Kendall (2003)↩︎
  2. Nicholl (2002)↩︎
  3. Wernham (1976)↩︎
  4. BL Harley MS. 6848↩︎
  5. Urry (1988)↩︎
  6. Nicholl (2002)↩︎

Aktualisiert am 18.01.2023

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