Pierre de la Ramée (lat. Petrus Ramus; * 1515; † 27. August 1572) war einer der bedeutendsten Philosophen des 16. Jahrhunderts. Obwohl er aus ärmlichen Verhältnissen stammte, hatte er die Gelegenheit in Paris zu studieren. Er stellte sich früh gegen die aristotelisch-scholastischen Philosophie, indem er seine Logik an der Rhetorik und Praxis orientierte. Jacques Charpentier, ein Professor für Medizin, klagte ihn an, er würde die Fundamente der Philosophie und der Religion unterminieren. Deshalb wurde Ramée 1544 untersagt weiter zu unterrichten. Das Verbot wurde drei Jahre später Dank der Fürsprache von Kardinal Louis de Lorraine-Guise aufgehoben. Ramée hatte manchmal bis zu 2.000 Hörer in seinen Vorlesungen. 1561 konvertierte er zum Calvinismus, wodurch er die Unterstützung des Kardinals verlor und nicht weiter unterrichten konnte. 1568 verließ er Frankreich, das er erst drei Jahre später wieder betrat.1
Ramées Lehre beeinflusste nicht nur die Puritaner, sondern verbreitete sich in ganz Europa und gilt als Grundlage für den Baconismus sowie den Cartesianismus. Ramée starb übrigens nicht in der Bartholomäusnacht. Er versteckte sich und kehrte drei Tage später in seine Unterkunft zurück, wo er erstochen wurde. Die Hugenotten vermuteten dahinter Jacques Charpentier.
The Massacre at Paris
Er tritt nur in [Szene 9] auf. Sowohl der korrumpierte Text als auch der Inhalt machen diese Stelle problematisch. Mitten in der Bartholomäusnacht diskutiert der Herzog von Guise mit Ramée über die Gültigkeit der aristotelischen Logik. Laut den meisten Kommentatoren ist die gesamte Szene unnötig und seltsam.2 Selbst wenn der eigentliche Text rekonstruierbar wäre, bliebe der Inhalt der Debatte bzw. ihre Relevanz für das heutige Publikum weitgehend unverständlich. Im 16. Jahrhundert war das ganz anders. Dazu muss man sich zunächst vor Augen führen, dass bis weit in die Neuzeit hinein Aristoteles als unangefochtene Autorität in nahezu allen wissenschaftlichen Belangen galt. (Selbst Galileo Galilei bekam noch wiederholt Probleme, weil er dessen Lehren widersprach.) Ramées Lehre wurde europaweit diskutiert. Das Corpus Christ’s College in Cambridge galt seit 1570 als ein Zentrum des Ramismus.3 Marlowes Dialektikprofessor im zweiten Jahr war eine Anhänger Ramées, ebenso wie William Perkins, der einflussreichste Prediger in Cambridge. Ramées Lehre war so kontrovers, dass es noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu Ausschreitungen kam, als ein Ramist am King’s College die neue Methode gegenüber Aristoteles verteidigte. Für Marlowes Publikum war die Auseinandersetzung zwischen Guise und Ramée also sehr aktuell. Im Drama stirbt Ramée zwar während der Bartholomäusnacht, doch lässt Guise ihn nicht seines Glaubens, sondern seiner wissenschaftlichen Opposition zu Aristoteles wegen töten.4
In [Szene 11] kommt Marlowe indirekt erneut auf Ramée zu sprechen. Zwei Soldaten diskutieren, was sie mit der Leiche von Coligny machen sollen und vertreten dabei medizinische Theorien sowie eine syllogistische Methode des Mittelalters, die im 16. Jahrhundert nicht nur von Pierre de la Ramée infrage gestellt wurden.5