Alexandre-Édouard de Valois (* 19. September 1551; † 2. August 1589) war der vierte Sohn von Henri II. und Caterina de' Medici. Von all seinen Brüdern war er derjenige mit der robustesten Gesundheit. Mit seinen Geschwistern kam er nicht gut aus, war aber der erklärte Liebling seiner Mutter.
1570 begannen Verhandlungen über eine Heirat mit Elizabeth I.. Anjou zeigte offen seine Ablehnung darüber mit einer Frau vermählt zu werden, die 18 Jahre älter war als er, doch auch die englische Königin dürfte nie ernsthaft an dieser Verbindung interessiert gewesen sein.
Anjou nahm bereits an den zwei bis drei Treffen von Catharina de' Medici, Maréchal Gaspard de Tavannes, Retz, Gonzague und René de Birague, die in Folge des Attentats auf Coligny, am 23. August 1572 stattfanden, teil. Er soll dabei gewesen sein, als abends im Louvre Charles IX., der Herzog von Guise und vermutlich auch der Herzog von Montpensier hinzustießen. Eine aktive Beteiligung am Massaker der Bartholomäusnacht konnte ihm nie nachgewiesen werden.1
Im Juli 1572 war Sigismund II. August von Polen kinderlos gestorben. Die Verfassung Nihil Novi von 1505 sowie der Zusammenschluss von Polen und Litauen zu einer Realunion 1569 hatten zur Entstehung der sogenannten Rzeczpospolita szlachecka (Adelsrepublik) geführt, in der die Adeligen den König wählten. Da der polnische Adel zwischen acht und zwölf Prozent der Bevölkerung ausmachte, war gemessen an anderen europäischen Ländern ein großer Teil des Volks an den politischen Entscheidungen beteiligt. Man wählte vorzugsweise Herrscher, die nicht aus dem Stammland kamen und über keine Hausmacht verfügten. Im Mai 1573 entschied sich der polnische Adel für Anjou, der im Dezember Richtung Polen aufbrach und im Februar 1574 gekrönt wurde. Anjou war von Polen so wenig begeistert wie Polen von ihm. Mitte Juni erhielt er von Caterina de' Medici die Nachricht, dass Charles IX. gestorben sei. In einer Nacht- und Nebelaktion verließ Anjou mit einigen Getreuen sein neues Königreich, um die Nachfolge seines Bruders in Frankreich anzutreten.
Am 3. Februar 1575 wurde Anjou zu Henri III. von Frankreich gekrönt. Kurz danach heiratete er Louise de Vaudémont, eine Cousine des Herzogs von Guise. Der König war kein treuer, aber ein guter Gatte, der von seiner Frau über den Tod hinaus geliebt wurde. Man nimmt an, dass Louise zumindest einmal schwanger war, das Kind jedoch verlor. Wahrscheinlich kam es zu einer Gebärmutterentzündung als deren Folge sie unfruchtbar wurde. Jedenfalls stellte sich trotz zahlreicher Versuche, Kuren und Wallfahrten keine Schwangerschaft mehr ein. Henri III. legte viel Wert auf Hygiene sowie auf sein Äußeres, wobei er oft die Grenzen zur Extravaganz überschritt.2 Dabei wurde allerdings übersehen, dass es sich dabei um den Versuch handelte, die Majestät des Souveräns optisch darzustellen.3 Im Gegensatz zu seinen Vorgängern begeisterte er sich weder für die Jagd noch für körperliche Ertüchtigungen, obwohl er ein guter Reiter und Fechter war. Sehr zur Verwunderung seiner Umgebung widmete sich Henri III. den administrativen Angelegenheiten des Reichs. Er war ein Intellektueller, der das Gespräch mit Gelehrten suchte, mehrere Sprachen beherrschte, aber gleichzeitig über eine große religiöse Hingabe verfügte, die er demonstrativ zur Schau stellte, obwohl er in seiner Jugend mit dem Calvinismus kokettiert hatte.4 Vor allem seine Günstlingswirtschaft wurde ihm bereits von den Zeitgenossen vorgeworfen. Tatsächlich steckte dahinter ein politisches Kalkül, das erst Historiker im 20. Jahrhundert zu würdigen wussten. Indem Henri III. seine Favoriten, auch Mignons genannt, gänzlich von der königlichen Gnade abhängig machte und sie mit internen Rivalitäten beschäftigte, schuf er einen nur ihm ergebenen Adel, den er gegen die nach Autonomie strebenden Edelleute wie Guise einsetzen konnte. Gemeinsam mit der Vorliebe für Äußerliches und Etikette macht dies Henri III. zum direkten Vorboten von Louis XIV.
Im Gegensatz zu Guise war Henri III. bei der Bevölkerung nicht beliebt. Hinzu kam das Lavieren des Königs zwischen Katholiken und Hugenotten, das politisch umso brisanter wurde, als Alençon 1584 starb und kein katholischer Thronerbe in Sicht war. Das führte zur Gründung der Heiligen Liga unter der Führung von Guise. Der Konflikt eskalierte am 12. Mai 1588, dem "Tag der Barrikaden", als sich die Pariser Bevölkerung hinter den Herzog stellte, worauf der König seine Hauptstadt heimlich verlassen musste. Spanien hatte die katholische Bewegung und besonders Guise seit Jahren unterstützt. Als im Herbst 1588 bekannt wurde, dass die Spanische Armada vernichtet worden war und Spanien plötzlich andere Sorgen hatte, witterte Henri III. eine Gelegenheit. Er entließ am 8. September 1588 all seine Minister und berief für den Oktober die Generalstände ein, die dann allerdings mehrheitlich die Liga befürworteten. Der Herzog von Mayenne informierte Henri III. über einen Mordanschlag, den sein Bruder planen würde. Der König wollte mit der Ermordung des Herzogs von Guise nicht nur diesem Attentat zuvorkommen, er erhoffte sich durch die Eliminierung von Guise und dessen Bruder Louis de Lorraine-Guise auch eine nachhaltige Schwächung der Liga, doch genau das Gegenteil trat ein.5 Henri III. wand sich nun offiziell an Henri de Navarre, von dem er sicher sein konnte, dass er ihn im Kampf gegen die eigenen Untertanen unterstützen würde. Im Sommer 1589 lagerten sie vor Paris, das von den Anhängern der Liga gehalten wurde. Der Dominikanermönch Jacques Clément verschaffte sich Zutritt zum König und stach auf ihn ein. Mit Henri III. starb in den Morgenstunden des 2. August 1589 der letzte Herrscher aus dem Hause Valois, das Frankreich 261 Jahre regiert hatte.
The Massacre at Paris
Anjou tritt erstmals in [Szene 4] bei der Planung des Massakers auf. In [Szene 6] beschließt er, sich verkleidet am allgemeinen Morden zu beteiligen. Er ist bei der Ermordung Colignys, des Predigers Loreine und Ramées in [Szene 7] sowie [Szene 9] dabei. In dieser Szene begegnet ihm auch Navarre, dem er einredet, er wäre gerade erst aufgestanden und hätte alles unternommen, um dem Aufruhr Einhalt zu gebieten.
Gegenüber den polnischen Gesandten, die ihm in [Szene 10] die Königskrone anbieten, präsentiert sich Anjou als würdiger Gegner für Rußlands Ivan IV., dem Schreckliche und dem osmanischen Herrscher Süleiman I., dem Prächtigen. Dadurch wird nicht nur seine Überheblichkeit sichtbar, sondern es ist auch ein Seitenhieb Marlowes auf die Religion, indem den beiden fähigen, aber nicht katholischen Herrschern, mit Anjou ein wenig beeindruckender Vertreter des Katholizismus gegenübergestellt wird.6 Die Klausel, die Anjou im Falle des Todes von Charles IX. eine Rückkehr nach Frankreich garantiert, ist eine Erfindung Marlowes. Alençon, der jüngste Bruder von Charles IX. war zunächst davon ausgegangen, dass er nach dem Ableben des Königs die Nachfolge antreten würde, da sein anderer Bruder bereits König von Polen war. Auch dort sah man die Übernahme der Königswürde durch Anjou als dauerhaft und unabhängig von den Entwicklungen in der französischen Thronfolge an.
Ab der Krönung in [Szene 14] legt Marlowe mehr Augenmerk auf die Mignons. Schon zu Lebzeiten Charles IX. umgab sich Anjou mit ausgesuchten Favoriten – nicht immer zur Freude des Hofs. Als richtiges Ärgernis erschienen sie erst, nachdem er König geworden war und der Eindruck entstand, sie würden ihn politisch beeinflussen. Auslöser des Konflikts zwischen Henri III. und Guise war nicht ein vermeintliches Verhältnis zwischen der Herzogin von Guise und einem Mignon wie in [Szene 17], sondern die permanente Bevorzugung der Favoriten gegenüber Guise in wichtigen Positionen. In [Szene 19] werden mehrere Ereignisse erwähnt, die dem letzten Treffen zwischen Henri III. und Guise vorangingen: die Gründung der Liga, der Tag der Barrikaden oder die Einberufung der Generalstände für Herbst 1588. Im Gegensatz zum Drama fand das Gespräch zwischen Henri III. und Guise jedoch danach und nicht vor der Einberufung statt. Der Ausspruch des Königs angesichts des toten Guise: "I nere was King of France untill this houre:"7 ist einer von vielen, den Henri III. wirklich getätigt haben soll.
Das Attentat auf den König in [Szene 24] ist historisch recht genau geschildert. Nur Navarre war bei der eigentlichen Tat nicht anwesend. Er hatte sein Lager in Meudon aufgeschlagen und wurde erst später zum verletzten König gerufen. Die Waffe war nicht, wie der Arzt meint, vergiftet. Überhaupt sah es zunächst aus, als würde Henri III. den Anschlag überleben. Was genau er vor seinem Tod noch alles sagte, ist umstritten. Die Pamphletisten der Liga behaupteten, es gab nur ein kurzes Gespräch mit Navarre und dieser sei vom König nie als sein offizieller Nachfolger präsentiert worden. Die Schreiber der Hugenotten behaupten naturgemäß das Gegenteil. Wahrscheinlich bestätigte Henri III. den Thronanspruch von Navarre, legte ihm aber eindringlich nahe zum Katholizismus zu konvertieren.
Marlowes Anjou/Henri III. ist eine ambivalente Gestalt, deren Wandel mit der Krönung eintritt. Zu Beginn ist er ein katholischer Mitläufer im Dunstkreis von Guise. Nachdem er König geworden ist, wird der Herzog immer mehr zum eigentlichen Gegenspieler, für dessen Ermordung Henri III. eher Sympathie gewinnt denn verliert. Gegen Ende stehen der König von Frankreich und der König von Navarra geeint im Kampf gegen eine Gruppe aufrührerischer Fanatiker geführt von einer machthungrigen Familie. Die Religion hat an Bedeutung verloren. Interessant ist gleichfalls die Darstellung der Mignons. Kritisiert werden sie von der Königinmutter und Guise. Genau betrachtet sind es allerdings keine schlechte Ratgeber und längst nicht so einflussreich wie Gaveston oder Spenser in Edward II. In der Präsentation von Gut (Navarre) und Böse (Guise, Königinmutter) ist Marlowe ungewöhnlich einseitig. Henri III. ist vielschichtiger und für eine Figur in einer Historie des 16. Jahrhunderts erstaunlich akkurat gezeichnet.